24.09.2024

Herzstillstand – wie Stormarner helfen, Leben zu retten

Jedes Jahr brechen in Deutschland mehr als 65.000 Frauen und Männer zusammen, weil ihr Herz plötzlich aufhört zu schlagen. Viele könnten gerettet werden, wären mehr Menschen in Erster Hilfe geschult. Ein Stormarner Stifter sorgt dafür.

1 Aufmacherfoto Familie Voss Bildnachweis Timon Kronenberg
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Oststeinbek: Der Rettungswagen trifft nach etwa zwanzig Minuten ein. Da ist es schon zu spät: Brigitte Voß lebt nicht mehr. Das Herz der 67-Jährigen blieb mitten in der Nacht stehen, ihr Ehemann Holger setzte sofort den Notruf ab. „Zu mehr war ich damals nicht in der Verfassung“, sagt der heute 81-jährige Oststeinbeker, als er die schlimmsten Momente seines Lebens beschreibt. Brigitte Sibylle Voß verstirbt im September 2017, neben ihrem Mann hinterlässt die einst lebenslustige und engagierte Frau zwei erwachsene Söhne, Thomas und Christian. „Sie hat sich immer für andere eingesetzt“, sagt Holger Voß. „Und das überwiegend in ihrer Freizeit.“ Brigitte Voß gründet unter anderem den Havighorster Bürgerverein, betreut das Seniorenkaffeetrinken, unterstützt Geflüchtete - und leitet ehrenamtlich die Volkshochschule Oststeinbek. 18 Jahre lang, bis zu ihrem plötzlichen Herzstillstand. Das unermüdliche soziale Engagement seiner Frau zu Lebzeiten ist vielleicht der Grund, dass Holger Voß mit der Gründung einer Stiftung auch ihrem Tod eine Bedeutung verleihen will, die anderen zugutekommt.

„Schnellere Hilfe hätte meiner Frau das Leben gerettet“, so Stifter Holger Voß.

Informationen zur App „Saving Life“ finden Sie über den Link.

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Noch in seiner ersten Trauerphase recherchiert der Witwer nach Möglichkeiten, anderen Familien solch ein Unglück zu ersparen. „Schnellere Hilfe hätte meiner Frau das Leben gerettet“, ist Holger Voß überzeugt. „Also habe ich überlegt, wie die organisiert werden könnte.“ Zusammen mit seinen Söhnen will der Verlagskaufmann eine App entwickeln, die parallel zum regulären Einsatzalarm für den Rettungsdienst auch Ersthelfer alarmiert, wenn in deren direktem Umfeld ein Notfall gemeldet wird. Sie können innerhalb weniger Minuten lebensrettende Erste-Hilfe-Maßnahmen ergreifen und so die Zeit bis zum Eintreffen der Profis im Rettungswagen überbrücken. Gerade bei einem Herzstillstand ist schnelles Handeln entscheidend: Je früher mit einer Herzdruckmassage begonnen wird, desto größer sind die Chancen des Patienten. Pro Minute, in der nicht wiederbelebt wird, sinkt die Überlebenswahrscheinlichkeit um zehn Prozent. Die Rechnung ist eindeutig: Auch wenn der Rettungswagen die in Schleswig-Holstein derzeit vorgegebene Hilfsfrist (Zeitraum ab Alarmierung durch die Leitstelle bis zum Eintreffen des ersten geeigneten Rettungsmittels am Einsatzort) von zwölf Minuten einhält – bei einem Herzstillstand käme jede Hilfe zu spät.

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Retten Sie Leben und nehmen Sie Kontakt auf: Details zur Brigitte Voß-Stiftung gibt es über den Link.

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Thomas, Christian und Holger Voß finden heraus, dass es eine Alarmierungs-App für Ersthelfer bereits gibt. Sie heißt 'Meine Stadt rettet', entwickelt vom Uniklinikum Schleswig-Holstein am Standort Lübeck gemeinsam mit Partnern. Hier können sich Freiwillige registrieren. Die Anforderungen: Mindestalter 18 Jahre und ein abgeschlossener Erste-Hilfe-Kurs, der nicht länger als zwei Jahre zurückliegt. Die bei der kostenlosen App registrierten Helfer sind während des Einsatzes speziell versichert. „Doch Stormarn war noch nicht flächendeckend im Notruf eingebunden“, sagt Holger Voß. Das ändert sich nach einem Gespräch mit Jörg Schumacher, dem Geschäftsführer der Bürger-Stiftung Stormarn, unter deren Dach Voß einen Stiftungsfonds gründet, der den Namen seiner verstorbenen Frau trägt. Mit großem persönlichem Einsatz schafft Schumacher es, dass der Kreis Stormarn die App einbindet und somit Teil des engmaschigen Rettungsnetzes wird.

3 Geschaeftsfuehrer Joerg Schumacher Foto Stiftungen der Sparkasse Holstein

Jörg Schumacher hat selbst lange ehrenamtlich im Rettungsdienst gearbeitet, das Thema Erste Hilfe liegt ihm am Herzen. Er sagt: „Es war erschreckend mitzuerleben, wie häufig Menschen verstorben sind, weil sich niemand getraut hat, zu helfen.“ Meistens aus Unwissenheit oder der Angst heraus, etwas falsch zu machen. „Dabei ist der größte Fehler, nichts zu tun“, so Schumacher weiter. Er verweist auf die skandinavischen Länder, in denen Kurse zur Ersten Hilfe bereits im Kindergarten gegeben werden. Natürlich altersgerecht. „In Schulen gibt es Wettbewerbe, wer am besten reanimieren kann. Die wachsen damit auf, lernen spielerisch zu helfen und wissen daher fast im Schlaf, was im Notfall zu tun ist. Davon sind wir leider noch meilenweit entfernt.“ Deshalb unterstütze die Bürger-Stiftung Stormarn dieses Thema, wo immer es geht. So fördert die 2007 gegründete Dachorganisation auch die Kampagne „Respekt für Retter“, die derzeit in den Kreisen Ostholstein und Stormarn läuft und Wertschätzung und Dank für oft ehrenamtliche Rettungskräfte zum Ausdruck bringen will.

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In der Bürger-Stiftung Stormarn engagieren sich aktuell rund 360 Frauen und Männer in 45 Stiftungsfonds. „Diese Menschen meckern nicht, sie packen an“, sagt Stiftungsvorstand Ralph Klingel-Domdey, für den die Arbeit der Ehrenamtlichen nicht hoch genug zu würdigen sei. „Die Gräben in unserer Gesellschaft sind breiter und tiefer geworden. Umso bedeutsamer sind Menschen wie Herr Holger Voß. Der Stifter denkt nicht nur an sich selbst, er setzt sich für andere ein“, so Klingel-Domdey. Die Brigitte Voß-Stiftung hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Ausbildung von Ersthelfern zu organisieren und finanziell zu unterstützen. Außerdem stattet sie sie mit technischem Equipment wie automatisierten externen Defibrillatoren (AED), Beatmungsmasken, Warnwesten etc. aus.

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Ersthelferin Katharina Heitmann hat diese Erfahrung schon oft hautnah miterlebt und bestätigt das. Häufig stehen die Angehörigen bei einem Notfall selbst unter Schock und sind handlungsunfähig – umso wichtiger seien die über die App in unmittelbarer Umgebung alarmierten Ersthelfer. Bei einem Herzstillstand können die innerhalb kürzester Zeit mit einer Druckmassage beginnen und diese bis zum Eintreffen der Rettungskräfte fortführen. In Zusammenarbeit mit der Brigitte Voß-Stiftung und dem DRK betreibt Heitmann Aufklärungsarbeit, zeigt bei Veranstaltungen unter anderem, wie die Herzdruckmassage funktioniert. „Wer sich – warum auch immer – keine Zeit nehmen will oder kann, einen ganzen Kurs zu machen, der sollte wenigstens mal ein Training absolvieren. Und das gern in regelmäßigen Abständen“, so die Mutter einer Tochter. „Ich kann allen nur ans Herz legen, sich damit auseinanderzusetzen. Jeder von uns kann jederzeit in die Lage kommen, Hilfe zu brauchen.“ Auch das Registrieren bei der App 'Saving Life' würde sich die ehrenamtliche Retterin von jedem wünschen. Wie Jörg Schumacher sagt sie: „Man kann wirklich nichts falsch machen. Wenn eine Rippe bei der Herzdruckmassage brechen sollte - die heilt wieder. Ein totes Herz nicht.“ Holger Voß hat am eigenen Leib erlebt, was es bedeutet, wenn Hilfe zu spät kommt. Das möchte er anderen ersparen. Der Stormarner sagt: „Ich möchte so viele Menschen wie möglich zum Lebenretten anstiften.“

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Katharina Heitmann, Ehrenamtskoordinatorin vom Deutschen Roten Kreuz (DRK, Kreisverband Stormarn), ist solch eine Ersthelferin, die einen rund 2.300 Euro teuren Defibrillator von der Brigitte Voß-Stiftung erhalten hat. Die Hamfelderin ist bei der Freiwilligen Feuerwehr ihres Heimatdorfes aktiv und dort sogenannte First Responderin. Bei einem Notfall wird sie über die Leitstelle alarmiert – aber auch über die App 'Saving Life'. So heißt die 'Meine Stadt rettet'-App inzwischen, die seit 2020 in Trägerschaft des Arbeiter-Samariterbundes (ASB) als flächendeckendes Projekt für ganz Schleswig-Holstein fortgeführt wird. Aktuell sind hier etwa 32.600 App-Retter registriert. „Die Erfahrungen zeigen einen deutlichen Anstieg der Reanimationsquote“, sagt Hanjo Merkle, ASB-Landesfachreferent im Bereich Rettungsdienst und Notfallvorsorge.

„Diese App rettet Leben!“, sagt Katharina Heitmann mit dem Grundton der Überzeugung. Handfeste Zahlen, wie viele Menschen allein Dank der App überlebt haben, könne sie zwar nicht liefern, „aber auch wenn nur ein einziges Leben dadurch gerettet werden kann, hat sie sich doch schon gelohnt.“ So sieht das auch Stifter Holger Voß, der immer erfährt, wenn einer der von ihm gestifteten Defibrillatoren in den Einsatz kam und in der Werkstatt wieder neu eingestellt werden muss. Er erfährt aber nicht, ob die Reanimation damit erfolgreich war. Das wolle er auch gar nicht wissen. „Mir muss niemand beweisen, dass sich die Defis und die App lohnen“, so der Oststeinbeker. Das stehe für ihn zweifelsfrei fest. „Allein, dass die Angehörigen durch den schnellen Einsatz von Ersthelfern sehen, dass wirklich alles Menschenmögliche zur Rettung getan wird, ist enorm wichtig. Wenn es trotzdem zu Ende geht, ist zumindest die Gewissheit da, dass alles versucht wurde.“