10.02.2025

„Ich lerne viel von meinem iranischen Sohn“

Ursula Otten setzt sich im Café International in Trittau für das Wohl geflüchteter Menschen ein. Die Bürger-Stiftung Stormarn unterstützt sie dabei. Ein Zufall führte den iranischen Künstler Hamid Dastgerdi (links) 2017 zu Ursula Otten ins Café International nach Trittau. Trotz Sprachbarriere verstanden sich die beiden auf Anhieb.

1  Hamid Dastgerdi und Ursula Otten
Blick auf Dokument Cafe

VON VERENA KÜNSTNER

Trittau Blauweiß sind die Topflappen in Form von Kleidchen, liebevoll von Hand gehäkelt. Es ist das neueste Dankeschön, das Ursula Otten geschenkt bekommen hat. „Eine junge Iranerin, der ich immer wieder mal helfe, hat sie mir vorbeigebracht“, erzählt die Trittauerin. Wertschätzung in dieser oder ähnlicher Form erfährt die Anfang 80-Jährige häufig – und sie freut sich über jede noch so kleine Geste. Als Ursula Otten 2015 mit rund 20 anderen Engagierten die Trittauer Bürgerstiftung gründet, ist ihr Ziel, das Zusammenleben innerhalb der Gemeinde mit Aktionen zu bereichern, die möglichst vielen Menschen zugutekommen.

„Es gab vor der Stiftungsgründung bereits eine kleine Gruppe Trittauerinnen und Trittauer, die sich um Grünflächen gekümmert, sie bepflanzt und gepflegt haben“, sagt Otten. Aus der kleinen Gruppe ist mittlerweile eine Gemeinschaft aus rund 40 Frauen und Männern geworden, die regelmäßig in vielfältiger Weise aktiv sind. „Es war eine gute Entscheidung, unter dem Dach der Bürger-Stiftung Stormarn eine eigene regionale Stiftung zu gründen“, sagt Ursula Otten voller Überzeugung.

Trittauer Bürgerstiftung

„Es war eine gute Entscheidung, unter dem Dach der Bürger-Stiftung Stormarn eine eigene regionale Stiftung zu gründen“, sagt Ursula Otten voller Überzeugung.

Ursula Otten overshoulder

Alles Formale und Bürokratische übernehmen die erfahrenen Experten der Dachorganisation, die mit derzeit zwölf Millionen Euro die kapitalstärkste Bürgerstiftung des Landes ist. „Wir können uns somit auf das konzentrieren, was uns wichtig ist: Die Umsetzung unserer Ideen für ein gutes Leben miteinander“, so Otten, deren Lebensgefährte Gerd Rosenstock auch als Stiftungsbeirat aktiv ist. Zu den Ideen gehört das Projekt 'Café

International', das 2017 ins Leben gerufen wurde: In der historischen Wassermühle, dem Kulturzentrum Trittaus, schufen die Stiftungsmitglieder einen Ort, an dem sich Menschen unterschiedlicher Kulturen austauschen können. „Egal, welche Religion, Hautfarbe oder Herkunft, hier sind alle willkommen“, sagt Ursula Otten. Die gebürtige Frankfurterin organisiert im 14-Tage-Rhythmus den Raum in der Wassermühle für das Projekt, bei dem in den vergangenen Jahren viele Bekanntschaften und enge Freundschaften entstanden sind.

Die meisten Cafébesucher eint das Schicksal der Flucht aus ihrer Heimat. „Sie kämpfen mit denselben Problemen“, weiß Ursula Otten. „Sie müssen Behördengänge erledigen, Formulare ausfüllen, Anträge stellen.“ Die Sprachbarriere sei oft das kleinste Hindernis. „Diese Menschen haben ihr bisheriges Leben, Freunde und Familie hinter sich gelassen und müssen sich in einer neuen Umgebung zurechtfinden.“ Sie begegnen dabei Fremdenfeindlichkeit, Misstrauen und Ablehnung.

Mit dem Café in der Wassermühle leistet die Trittauer Bürgerstiftung einen wichtigen Beitrag zur Integration und zum interkulturellen Miteinander.

„Menschen sind doch keine Spielfiguren, die man hin- und herschieben kann, wie es einem passt“, sagt Otten mit Nachdruck. Sie zitiert einen der Söhne aus der Familie, geboren in Syrien, jetzt IT-Student. Er sagt: „Ich habe Deutschland so viel zu verdanken. Mit meiner Arbeitskraft möchte ich etwas zurückgeben.“

2 Ursula Otten

Als ich das erste Mal in die Wassermühle kam, war das wie eine warme Umarmung“ erinnert sich Hamid Dastgerdi. Der heute 48-Jährige ist in Teheran geboren und aufgewachsen, hat dort Kunst studiert, Musik und Filme gemacht. 2017 muss er fliehen, findet Unterkunft in einem Flüchtlingsheim in Neumünster. Ein Landsmann nimmt ihn eines Tages mit nach Trittau, ins Café International. „Das war mein großes Glück“, sagt Dastgerdi. „Endlich hatte ich wieder das Gefühl, als Mensch und nicht als Problem gesehen zu werden.“ Die Verbindung zwischen dem Künstler aus dem Iran und Ursula Otten wird enger. 'Mein iranischer Sohn', überschrieb sie eine Notiz, in der die Trittauerin ihre Beziehung zu Hamid beschreibt. „Ich lerne so viel von ihm“, sagt die ehemalige Gymnasiallehrerin. Ihr bisheriges Wissen über den fernen Orient nimmt durch Hamids Erzählungen lebhaft Gestalt an.

 „Das ist eines der Dinge, die ich an dem Projekt des Cafés so schätze: Hier ist Austausch möglich, der beide Seiten reicher macht.“ Auch Trittaus Bürgermeister Oliver Mesch sieht im Engagement der Stiftungsmitglieder nur Vorteile. Er sagt: „Viele Dinge wären ohne den ehrenamtlichen Einsatz nicht möglich. Mit dem Café in der Wassermühle leistet die Trittauer Bürgerstiftung einen wichtigen Beitrag zur Integration und zum interkulturellen Miteinander.“ Der Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad macht leise Hoffnung auf Frieden in dem von jahrzehntelang dauernden Krisen und Kriegen geschüttelten Land am Mittelmeer. „Natürlich spielt das in den Gesprächen mit unseren aus Syrien geflüchteten Gästen momentan eine Hauptrolle“, so Ursula Otten. Mit einem Ehepaar und dessen drei Kindern hat sie auch außerhalb des Caféprojektes freundschaftlichen Kontakt. Ob die Familie wieder zurück will, wenn sich die Umstände in deren Heimatland zum Positiven verändern? Für Ursula Otten kommt diese Frage zu früh. So gehe es auch der Familie. „Die Lage in Syrien ist noch längst nicht klar. Niemand weiß jetzt, unter welchen Bedingungen sie dort leben müssten.“ Außerdem hätten sie sich in den vergangenen knapp acht Jahren in Deutschland ein neues Leben aufgebaut. Beide Söhne studieren in Lübeck und die Tochter arbeitet in einer Apotheke. Alle haben inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft, Freundschaften geknüpft, sich den Gegebenheiten des Landes angepasst. „Menschen sind doch keine Spielfiguren, die man hin- und herschieben kann, wie es einem passt“, sagt Otten mit Nachdruck. Sie zitiert einen der Söhne aus der Familie, geboren in Syrien, jetzt IT-Student. Er sagt: „Ich habe Deutschland so viel zu verdanken. Mit meiner Arbeitskraft möchte ich etwas zurückgeben.“ Ursula Otten kann noch mehr solcher Beispiele nennen. Da ist Saeid Izadi, ein junger Iraner, der mit Hilfe der Stiftung und der Unterstützung des Rotary Club Bargteheide seine Ausbildung in einem sozialen Beruf mit Bestnoten abgeschlossen und mittlerweile eine Festanstellung hat. Oder Mohammad, der eine Ausbildung als Pflegefachkraft mit dem Schwerpunkt Altenpflege macht.

Das neueste Dankeschön:

Blauweiß sind die Topflappen in Form von Kleidchen, liebevoll von Hand gehäkelt. Es ist das neueste Dankeschön, das Ursula Otten geschenkt bekommen hat. „Eine junge Iranerin, der ich immer wieder mal helfe, hat sie mir vorbeigebracht“, erzählt die Trittauerin. Wertschätzung in dieser oder ähnlicher Form erfährt die Anfang 80-Jährige häufig – und sie freut sich über jede noch so kleine Geste.

Die ehrenamtliche Stiftungsarbeit sei ein Geben und Nehmen, sagt Ursula Otten. Das sehen die mehr als 350 Engagierten, die sich in den 50 Stiftungen und Stiftungsfonds unter dem Dach der 2007 gegründeten Bürger-Stiftung Stormarn für ein gelingendes Miteinander einsetzen, genau so. Mehr als 1,6 Millionen Euro konnten bisher für gute Zwecke und nachhaltige Aktionen verwendet werden. Doch in erster Linie sind es die Ehrenamtlichen, die mit Zeit und Tatkraft dafür sorgen, dass ihre Region ein lebenswerter Ort bleibt, an dem Menschen zusammenhalten, aufeinander aufpassen und sich gegenseitig unterstützen.